Sólo Dios basta – Gott nur genügt!
(durch Teresa von Ávila überliefert)
Dieser Satz ist durch Teresa von Ávila berühmt geworden; es hieß, dass man nach ihrem Tod ein kleines dreimal dreizeiliges Gedicht in ihrem Brevier gefunden hätte, das mit den Worten endet: „Sólo Dios basta – Gott nur genügt“. An Teresas Autorschaft gab es bis in die jüngste Vergangenheit hinein kaum Zweifel.
Nichts dich beirrre,
nichts dich verwirre;
alles vergeht,
Gott zieht nicht um.
Geduld
erreicht alles;
wer Gott in sich hat,
dem fehlt nichts:
Nur Gott genügt.
Der geistliche Grundgedanke spricht ohne Weiteres für Teresa als Verfasserin, in deren Schriften das Wortpaar „Nada – Nichts“ und „Todo – Alles“ vorkommt. Für Teresa als Verfasserin sprechen auch scheinbar die ganze Tradition und die Tatsache, dass die spanischen Editoren ihrer Schriften dieses Gedicht in ihre Ausgaben aufgenommen haben.
Mit dem Text leben
Heute wissen wir dank der Studien von Mariano Delgado, dass dieses Gedicht, so weit man bis jetzt weiß, zum ersten Mal in der Guía espiritual – Geistliches Weggeleit von Miguel de Molinos aus dem Jahre 1675 schriftlich fixiert vorliegt, wobei man bis jetzt nicht weiß, wie es in den angeblichen geistlichen Besitz Teresas gekommen ist. Die erste deutsche Übersetzung steht nicht in der Ausgabe der Schriften Teresas in der Übersetzung von Ludwig Clarus aus dem Jahre 1851 und noch weniger in der Vorgängerausgaben, sondern in der ersten deutschen Übersetzung des Werkes Molinos´, die 1699 unter Leitung des Pietisten Gottfried Arnold herauskam; sie lautet: „Lass dich nichts verunruhigen noch erschrecken; sintemahl alles vergeht und ein Ende hat, Gott aber allein unwandelbar ist, und die Geduld alles überwindet. Wer Gott hat, der hat alles; und wer ihn nicht hat, dem mangelt alles.“ Weder Molinos noch der erste deutsche Übersetzer bringen den berühmten, aber schwer zu interpretierenden letzten Vers „sólo Dios basta.“
Wenn man diesen Text mit Teresa von Ávila in Zusammenhang bringt, dann muss man ihn von ihrem Grundgedanken her verstehen und übersetzen, und dieser ist, dass der Mensch – die Seele – Wohnort Gottes ist, wie sie in ihrem Hauptwerk, die Innere Burg, meisterhaft darlegt. Sie schreibt: „In der innersten Mitte von all diesen Wohnungen liegt die vornehmste, in der die höchst geheimnisvollen Dinge zwischen Gott und der Seele vor sich gehen“. Ihrer Meinung nach ist die Seele von Gott bewohnt, der Mensch ist Wohnort Gottes, „Tempel des Hl. Geistes“, wie Paulus sagt (1 Kor 6,19). In ihrem Handbuch zum inneren Beten, dem Weg der Vollkommenheit, sagt sie es so: „Es gibt in uns noch etwas unvergleichlich Kostbareres als das, was wir von außen sehen. Stellen wir uns doch nicht vor, wir seien innen hohl“ (Weg [Escorial] 48,2; [Valladolid] 28.10).
In diesem Sinn wird der Text zu einem Trostgedicht: Gott zieht nicht aus dem Menschen aus (mudarse heißt auch ; eine mudanza ist ein Umzug); daraus folgt: Wer Gott bei sich, in sich hat, dem fehlt nichts.
Genügt nur Gott?
Unglücklicherweise wurde die letzte, die am bekanntesten gewordene Zeile im Deutschen mit „Gott allein genügt“ übersetzt. Häufig verstand man dieses Kernwort der karmelitanischen Spiritualität dann so, als brauche der Mensch nur Gott, nichts weiter, oder gar als habe er sich allein um Gott zu sorgen und den Blick von allem Menschlichem und Geschöpflichem abzuwenden. Das „sólo“ ist adverbial, nicht adjektivisch zu lesen. Es meint: erst Gott reicht aus, um wirklich Erfüllung zu schenken; hätte ich alles, was das Leben bieten kann, aber die Gemeinschaft mit Gott nicht – es wäre alles flach, leer, ungenügend, wie ein „Nichts“. Gerade die hier gemeinte Erkenntnis, dass erst Gott – also „nur Gott“ – dem Menschen entspricht und genügt, gibt allem Sinn und Wert, Tiefe und Größe: Die Liebe dieses Gottes, dessen Blicken Lieben ist, wie Johannes vom Kreuz schreibt, und das daraus folgende Leben mit ihm verleihen den Dingen Schönheit, dem Nächsten Größe, der Freundschaft und Partnerschaft Tiefe und ewige Endlosigkeit.
Ulrich Dobhan OCD